Arnold Schönberg: Erwartung (2. Szene)
Farbkreide, Pastell und Gouache auf Papier
ca. 1911
Catalogue raisonné 166
Belmont Music Publishers, Los Angeles
Monodram in einem Akt
Libretto: Marie Pappenheim
Tiefstes Dunkel, breiter Weg, hohe, dichte Bäume. Sie tastet vorwärts.
(Noch hinter der Szene:)
Ist das noch der Weg? …
(Bückt sich, greift mit den Händen:)
Hier ist es eben … (aufschreiend:) Was? … Laß los!
(Zitternd auf, versucht ihre Hand zu betrachten)
Eingeklemmt? … Nein, es ist was gekrochen …
(Wild, greift sich ins Gesicht:)
Und hier auch … Wer rührt mich an? … Fort …
(Schlägt mit den Händen um sich:)
Fort, nur weiter … um Gotteswillen …
(Geht weiter, mit vorgestreckten Armen:)
So, der Weg ist breit …
(Ruhig, nachdenklich:)
Es war so still hinter den Mauern des Gartens … (sehr ruhig:) Keine Sensen mehr … kein Rufen und Gehn … Und die Stadt in hellem Nebel … so sehnsüchtig schaute ich hinüber … Und der Himmel so unermeßlich tief über dem Weg, den du immer zu mir gehst … noch durchsichtiger und ferner … die Abendfarben …
(Traurig:)
Aber du bist nicht gekommen.
(Stehenbleibend:)
Wer weint da?
(Rufend, sehr ängstlich:)
Ist hier jemand?
(Wartet. Lauter:)
Ist hier jemand?
(Wieder lauschend:)
Nichts … aber das war doch …
(Horcht wieder:)
Jetzt rauscht es oben … Es schlägt von Ast zu Ast …
(Voll Entsetzen seitwärts flüchtend:)
Es kommt auf mich zu …
(Schrei des Nachtvogels.)
(Tobend:)
Nicht her! Laß mich … Herrgott, hilf mir …
(Stille. Hastig:)
Es war nichts … Nur schnell, nur schnell …
(Beginnt zu laufen, fällt nieder. Schon hinter der Szene:)
Oh, oh, was ist das? … Ein Körper … Nein, nur ein Stamm …